Die Opposition, die keine sein will

Die Opposition, die keine sein will

11.04.2022 //

Es gehört zum Wesen der Demokratie, dass es eine Regierung gibt und eine Opposition. Nun mag schon sein, dass dies auf kommunaler Ebene nicht so klar sichtbar ist, aber es gilt natürlich auch für die Gemeinde, beziehungsweise für den Gemeinderat. Auf der kommunalen Ebene spricht man natürlich nicht von „Regierung“, sondern vom Bürgermeister und seiner Mehrheit.

Sofern nicht eine Einheitsliste alleine kandidiert, gibt es immer eine Liste, die entweder alleine oder zusammen mit anderen, eine Mehrheit hat, und andere Listen, die eben in der Minderheit sind. Demokratie bedeutet auch, das haben leider nicht immer alle verstanden, die sich kommunalpolitisch engagieren, dass die Minderheit akzeptiert, dass es eine Mehrheit gibt, die auf sie nicht notwendigerweise immer Rücksicht nimmt. Dafür steht der Opposition zu, die Mehrheitsfraktion(en) zu kontrollieren.

Die Liste „Für Scharnitz“ (FS), das hört man immer wieder von den Mandataren, kann mit dem Begriff „Opposition“ nichts anfangen, sondern verweist immer wieder darauf, wie gut die Liste mit den anderen beiden Fraktionen im Gemeinderat zusammenarbeitet, bzw. zusammenarbeiten will. Das ist ja eine schöne und noble Einstellung, ändert aber nichts am Umstand, dass die Liste im Gemeinderat „die Opposition“ ist und sich davon auch eine bestimmte Verantwortung ableitet. Mag schon sein, dass die brachiale Art, mit der die Liste „Scharnitz miteinander“ (SMI) in der letzten Gemeinderatsperiode auffällig wurde, dazu geführt hat, dass die Beobachter heute unter „Opposition“ jenen damals gepflegten unrühmlichen Stil der SMI verstehen, doch das war „Fundamental-Opposition“ und ist alles andere als ein Vorbild für das, wie eine Oppositionsfraktion agieren sollte.

Oppositionsarbeit ist wichtig. Es geht darum, kritisch zu hinterfragen, wenn Entscheidungsträger manchmal im Eifer des Gefechts schon ein paar Gedankensprünge weiter sind als jene Personen, die nicht ganz so gut informiert sind. Es geht aber auch darum, sich konstruktiv für die eigenen Anliegen einzusetzen. Nur, weil eine Liste die Gemeinderatswahl verloren hat und keinen Bürgermeister stellt oder keine Mehrheit im Gemeinderat hat, bedeutet das noch lange nicht, dass die Punkte, die sie auf ihrem Wahlprogramm hatte, obsolet sind. Die Bevölkerung hat sie (unter anderem) deshalb gewählt. Also hat die Opposition natürlich die Pflicht, ihre Themen in Anträge zu verpacken und sie im Laufe der Gemeinderatsperiode einzubringen. Selbst wenn die Mehrheitsfraktionen die Anträge ablehnen, so kann die Opposition doch zumindest ihren Wählern zeigen, dass sie gearbeitet hat und versucht hat ihre Themen unterzubringen. Das soll jetzt nicht heißen, dass automatisch alle Anträge der Opposition von der Mehrheit abgelehnt werden – nein, beim aktuellen Gemeinderat ist sogar zu vermuten, dass die Ausschüsse die eingebrachten Anträge behandeln werden und sich dann durch die Diskussion etwas ergibt, das am Ende herzeigbar ist. Aber wer keine Anträge einbringt, der kann auch nichts umsetzen; „Nicht gefragt ist immer ein Nein“, lautet ein Spruch, den ich immer gerne zitiere.

Opposition bedeutet aber auch zu kontrollieren, ob alles korrekt abgewickelt wird. Das ist dann schon wieder ein schwierigeres Terrain, denn wer mit allen gut auskommen will, scheut sich manchmal das eine oder andere anzusprechen. Man muss aber unterscheiden, ob man die Kontrollfunktion so streng anlegt, dass man jeden Punkt und Beistrich einer kritischen Prüfung unterzieht oder ob man versucht, sich in die Aktivitäten der Entscheidungsträger hineinzuversetzen.

Nun stellt sich natürlich die Frage, wie sollte eine gut gemachte Oppositionsarbeit aussehen. Ich würde zusammenfassend folgende Tipps geben:

  • Man höre sich Bürgeranliegen an und hinterfrage, ob diese auch schon zur Gemeindeführung durchgedrungen sind und falls ja, wie damit umgegangen wird oder bereits wurde.
  • Wenn es sich um ein komplexes Thema handelt, schreibt man klar und verständlich die dazugehörigen Fragen auf einem Blatt Papier zusammen und reicht sie beim letzten Tagesordnungspunkt einer Gemeinderatssitzung als „schriftliche Anfrage“ ein, damit der Bürgermeister oder die Ausschussobleute die Gelegenheit haben, sich damit zu beschäftigen, die Antworten zu finden und dann in verschriftlichter Form wieder an die Fragesteller zurückzugeben. Der Sinn von schriftlichen Anfragen ist, dass keine spontanen Erklärungsversuche, fehlerhafte ad-hoc-Antworten oder ähnliches erzählt werden, sondern wirklich Umstände geklärt und nachvollziehbare Fakten vermittelt werden – vielleicht sogar mit Zahlen und Daten untermauert, wenn die Fragebeantwortung es erfordert.
  • Man reiche Anträge ein, die aus dem eigenen politischen Programm stammen und verhandle sie dann mit den Mehrheitsfraktionen in den Ausschüssen. Nur weil eine Wahl nicht gewonnen wurde, löst sich das eigene Wahlprogramm doch nicht auf.
  • Man schreibe die Gemeinderatsbeschlüsse zusammen und kontrolliere, ob sie denn auch (richtig) umgesetzt wurden oder ob es zum einen oder anderen Punkt zwar eine Willenserklärung gibt, aber der konkrete Gemeinderatsbeschluss noch ausständig ist.
  • Man nehme die Themen, die in der vergangenen Sitzung besprochen wurden und die mit dem Hinweis versehen wurden: „das werde in den nächsten Tagen und Wochen erledigt“, und überprüfe, ob die Umsetzung sattgefunden hat und wenn nicht, was der Grund dafür war.
  • Man thematisiere immer ein Schwerpunktthema bei „Allfälligem“ – je mehr man Kraut-und-Rüben-Themen in die Arena wirft, desto weniger sinnstiftend sind mündliche Anfragen und Anliegen. Die zuhörende Bevölkerung soll ja schließlich denken, man konzentriere sich auf einen bestimmten Punkt. Zu viele Themen anzusprechen verwirrt die Leute und erweckt den Eindruck, die Opposition kritisiere nur um des Kritisierens willen.
  • Man bleibe bei Kritik immer sachlich und fair. Es sitzen keine Berufspolitiker im Gemeinderat!

Wenn eine Fraktion ihre Oppositionsarbeit so anlegt, braucht sie sich wirklich nicht dafür genieren auch als „Opposition“ wahrgenommen zu werden. Dann ist es eine wertvolle Arbeit für die Gemeinde und die Demokratie in einem Dorf. Opposition, wenn man sie richtig macht, ist nämlich auch eine Form der konstruktiven Zusammenarbeit, um zu einem positiven Ergebnis zu kommen.