Eine Unsitte wurde geboren
08.05.2022 //
Ich habe mich in meinem Kommentar zur ersten regulären Gemeinderatssitzung vielleicht in einem Punkt etwas zu verständnisvoll oder freundlich gezeigt – ein Fehler, den ich hier gerne korrigieren möchte.
Ich thematisiere hier die Unsitte, Tagesordnungspunkte kurzfristig auf die Gemeinderatssitzung zu geben. Die Tiroler Gemeindeordnung (TGO) sieht vor, dass das Gemeinderatsgremium durchaus neue Punkte auf die Tagesordnung setzen darf, wenn sie eine gewisse Dringlichkeit haben, weil es sich so ergab, dass diese Dringlichkeit erst nach Verstreichen der Einberufungsfrist für die Gemeinderatssitzung entstanden ist. Da ist eine Sitzungseinladung aber schon draußen und da man das Thema trotzdem behandeln muss, obwohl es nicht auf der Tagesordnung steht, muss man die Tagesordnung während der Sitzung ergänzen. In diesem Fall befragt man – eigentlich am Anfang der Gemeinderatssitzung! – als Bürgermeister den Gemeinderat, ob man den Tagesordnungspunkt (ich kürze das Wort ab: TOP) XY noch der Tagesordnung hinzugeben kann. Sagt der Gemeinderat mit 2/3-Mehrheit ja, darf man einen neuen Punkt auf die Tagesordnung setzen. Wer sich das Rechnen ersparen will: eine Zweidrittelmehrheit kommt dann zustande, wenn bei 13 Gemeinderäten 9 Ja-Stimmen für einen Antrag verfügbar sind. Bei 12 anwesenden Gemeinderäten bleibt die Zahl der Ja-Stimmen übrigens gleich, da 12 dividiert durch 3 die Zahl 4 ergibt und zwei mal 4 die Zahl 8 – bei 8 Gemeinderäten wäre aber die Zweidrittelmehrheit verfehlt, weil sie nicht exakt 2/3 ausmacht darf, sondern gemäß TGO „mehr als Zweidrittel“ ausmachen soll. (Anm.: im Falle von Abstimmungsergebnissen 6:6 gilt ein Antrag ebenfalls als abgelehnt, da er keine Mehrheit, sondern nur einen Gleichstand erfährt).
Kommen wir nun wieder auf das eigentliche Thema der neuen TOP zurück. Ich habe nach der ersten Gemeinderatssitzung geschrieben, dass der Weg eines Antrages normalerweise so zu lauten hat: Einbringung bei einer Sitzung (oder schon zuvor, dann wird der Eingang des Antrags vom Bürgermeister eben nur berichtet), Zuweisung an einen der Ausschüsse und nach der Behandlung in einem Ausschuss wird der Antrag auf die Tagesordnung der Gemeinderatssitzung gestellt. Jetzt ist es am 27.04. schon zum zweiten Mal passiert, dass der Bauausschuss tagt, selbst und eigenständig Themen behandelt, die er als „wichtig“ und „dringlich“ erkennt und die dann bei der erstbesten Sitzung nachträglich auf die Tagesordnung gesetzt werden. Bei allem Verständnis für die Notwendigkeit eines solchen Vorgehens: zur Regel sollte dies nicht werden! Und zwar aus folgenden Gründen:
1. Es erweckt den Anschein als wolle man absichtlich wichtige Dinge bei der Sitzungseinladung verbergen, damit die Öffentlichkeit nicht weiß, dass ein Thema bei der Gemeinderatssitzung behandelt wird.
2. Dadurch, dass die neuen TOP absichtlich bei „Anträge“ und immer durch den Obmann des Bauausschusses vorgetragen werden und nicht vom Bürgermeister am Anfang der Sitzung, wird der Eindruck erweckt, als wolle man abwarten, ob nicht die einen oder anderen Gemeindebürger früher gehen. So nach dem Motto: nur wer durchhält, erfährt vollinhaltlich, was im Gemeinderat in der öffentlichen Sitzung besprochen wird.
3. Die Art, mit der der Bauausschuss bzw. sein Obmann überfallsartig agiert, konfrontiert er jene Gemeinderäte, die nicht im Ausschuss sitzen, möglicherweise spontan mit einem Thema, auf das sie sich gar nicht vorbereiten konnten. Ob die Auskunft des Antragsstellers zu einem Thema dann immer komplett der Richtigkeit entspricht, können die Betroffenen erst im Nachhinein überprüfen. Eigenartigerweise präsentiert sich gerade eben jener Peter Reinpold als „Mr. Last Minute“, der in der vergangenen GR-Periode geradezu trotzig auf jede Änderung bzw. Ergänzung der Tagesordnung reagierte und sich mokierte, dass die Gemeinderäte zu wenig Zeit hätten sich mit einer Thematik zu befassen und man Unterlagen nicht rechtzeitig erhalten würde, um sich damit auseinanderzusetzen. Aber wenn Peter Reinpold den Takt vorgibt, scheint es ihm offensichtlich plötzlich völlig egal, wenn andere Gemeinderäte im Dunkeln tappen.
4. Wenn sich manche Gemeinderäte also erst während der GR-Sitzung von jenen, die eine Thematik vorbringen, informieren lassen müssen, dann bedeutet dies auch, dass sich die Sitzung insgesamt unnötig verlängert und möglicherweise das Thema des neuen TOP völlig zerredet wird.
So wie es aussieht, waren die Mehrheitsfraktionen und die Opposition bei den zusätzlichen TOP-Wünschen von Peter Reinpold wohl vorab komplett informiert und hatte für diese Vorgangsweise auch keine Einwände. Die Sitzungen sind aber nicht deshalb öffentlich, damit die Gemeinderäte den Bürgerinnen und Bürgern am Abend zeigen können wie aktiv sie sind, sondern damit die Bevölkerung einen transparenten Blick auf das Geschehene erhält. Das nachträgliche Hinzufügen von Tagesordnungspunkten erfüllt diesen Anspruch jedenfalls nicht und sollte deshalb als eine absolute Ausnahme gelten und nicht inflationär gebraucht werden.
Wäre ich Opposition, ich würde Peter Reinpold sagen, er hätte genau drei „Freiwürfe“ in einem Jahr und ich würde beim Überschreiten der Zahl der Ausnahmefälle wegen dieser eigenartigen Vorgangsweise jedes Mal gegen die Aufnahme neuer Tagesordnungspunkte stimmen. Egal um was es geht. Dies würde vielleicht die Disziplin fördern, entweder im Vorhinein eine komplette Tagesordnung für eine Gemeinderatssitzung herzustellen oder über die Aufnahme neuer Tagesordnungspunkte zumindest gleich am Anfang der Sitzung abzustimmen.