Die Kassenverwaltung – Teil I: Was ist DRINGEND?

Die Kassenverwaltung – Teil I: Was ist DRINGEND?

19.04.2022 //

Ich habe mich auf die Zeit nach der Wahl bereits eingestimmt, in dem ich einen Text für diesen Blog verfasst habe, den ich – im Falle der Wahl von Christian Ihrenberger zum Bürgermeister – jedenfalls verwenden kann, egal was sich im Nachgang der Wahl so zuträgt. Und zwar geht es um die Kassenverwaltung der Gemeinde.

Meine Ausgangslage war damals die Arbeitshypothese, dass Christian Ihrenberger die Wahl gewinnt und ich habe mich deshalb mit der Frage beschäftigt, wie es denn mit der Kassenverwaltung der Gemeinde Scharnitz weitergehen wird. Dabei habe ich mir überlegt, wie ich vorgehen würde. Als Kassenverwalter, der sich anschickt Bürgermeister zu werden, würde ich am Tag der Einreichung meiner Kandidatur bereits damit beginnen, an dem Entwurf einer Stellenausschreibung zu arbeiten. Immerhin sollte man diese nach einer gewonnen Wahl schon in der ersten Sitzung dem neuen Gemeinderat vorlegen können, damit zügig ein Nachfolger gesucht und gefunden werden kann. Natürlich könnte man so eine Ausschreibung auch erst nach der Wahl verfassen, wenn man die Gewissheit hat, dass man es wirklich ins Amt geschafft hat, doch wer an seinen Wahlsieg glaubt – deshalb kandidiert man ja – sollte eigentlich so viel Siegessicherheit mitbringen, um für die Eventualität der Amtsübernahme gerüstet zu sein. Inzwischen ist die Wahl von Christian Ihrenberger zum Bürgermeister Realität geworden und wir können uns schon einmal ein erstes Bild machen, wie an das Thema Kassenverwaltung durch den neuen Gemeinderat herangegangen wird.

Geschehen ist es nun so:

In der konstituierenden Sitzung des Gemeinderates (siehe Protokoll) hat Christian Ihrenberger sein „Amt des Finanzverwalters heute und mit sofortiger Wirkung – für die Dauer der Funktionsperiode als Bürgermeister“ niedergelegt und dies schriftlich in einem Kuvert dem neuen Vizebürgermeister in die Hand gedrückt.  Dies war schon einmal vollkommen korrekt, um eine Unvereinbarkeit zwischen dem Amt des Bürgermeisters und dem des Finanzverwalters (wir sagen weiterhin „Kassenverwalter“, weil’s so Tradition ist) zu vermeiden. Der neue Bürgermeister hat also die erste potenzielle Mine prinzipiell gut umschifft, zumindest auf den ersten Eindruck.

Auf den zweiten Blick sieht die Vorgangsweise jedoch nicht mehr ganz so toll aus, denn der eröffnet sich im weiteren Protokollwortlaut: „Der Bürgermeister fragt beim Gemeinderat an – betreffend dringlicher Ausschreibungen von diversen Stellen wie Finanzverwalter, Parkraumwächter, Recyclinghofbetreuer, Reinigungskraft für die öffentlichen WCs – diese schon vorab vorzubereiten und auszuschreiben.“ Vielleicht liegt es an mir, aber meinem Verständnis nach widersprechen sich „fragt vorab an, ob … vorzubereiten“ und „dringlich“. Wenn etwas dringlich ist, dann ist es dringlich und muss auch so behandelt werden – Punkt. Was hat den Bürgermeister denn aufgehalten die Ausschreibung, wenn sie gar so dringlich ist – und das ist sie tatsächlich! – nicht schon für die Sitzung vorzubereiten und dann an den Gemeinderat zu verteilen? Seit wann braucht ein Bürgermeister oder ein Gemeinderat die Erlaubnis der Gemeinderatsmehrheit einen Entwurf auszuarbeiten um diesen dann an das Gremium zur Begutachtung zu überreichen? Hier wurde eindeutig eine Chance vertan, zu zeigen, dass man schnell und entschlossen ein Problem lösen will. Und das Finden eines neuen Kassenverwalters ist nun einmal ein dringendes Problem, das rasch zu lösen ist und nicht unter zeitlicher Verzögerung auf die lange Bank geschoben werden kann.

Warum ist das so?

  • Personenpool. Es sollte allgemein bekannt sein, dass Kassenverwalter nicht unbedingt an den Bäumen wachsen und mehrere Gemeinden im Augenblick nach guten Leuten suchen. Angesichts der einschlägigen Vergangenheit, die Scharnitz in den 1990er-Jahren einen eher zweifelhaften Ruf bei BH und Land eingebracht hat, was die Führung der Gemeindefinanzen betraf, kann man auch nicht jede Person für den Job nehmen, die sich vielleicht dafür interessiert. Gerade in einer kleine(re)n Gemeinde wie Scharnitz muss der Kassier nicht, wie die Bezeichnung zum irrtümlichen Denken verleitet, „die Kasse verwalten“, sondern es gehört auch dazu, finanzielle Vorschläge vorzubereiten und auszuarbeiten, die dem Bürgermeister oder der Bürgermeisterin als Entscheidungsgrundlage für Budgeterstellung, Veranlagung und Finanzmittelakquirierung dienen. Auch muss ein Kassier bei Projekten ein laufendes Kostenmonitoring und Controlling durchführen – zumindest wäre dies die Erwartungshaltung eines Bürgermeisters, der Projekte umsetzen will. Wer mit dem Rechenschieber ins Gefecht reitet, ist im 21. Jahrhundert heillos überfordert. Qualifiziertes Personal muss erst gefunden werden.
  • Schiefe Optik. Trotz „Niederlegung der Funktion mit sofortiger Wirkung“ ist es Christian Ihrenberger nicht möglich jetzt das Büro des Kassenverwalters zu versiegeln und die Sedisvakanz zu verkünden. Die Arbeit muss weiterlaufen und wer soll sich denn jetzt um die laufende Buchhaltung kümmern? Die Logik diktiert, dass der bisherige Kassenverwalter interimistisch bis zum ersten Arbeitstag seines Nachfolgers die Arbeit erledigt, doch das bringt einige Gefahren mit sich, die der Amtsinhaber immer im Auge haben muss: je länger die Zeit dauert, in der der Posten unbesetzt ist, umso größer wird die Zeitspanne, indem der Bürgermeister als gleichzeitig Kassenverwalter eigentlich eine Unvereinbarkeit lebt, die jedenfalls vom Überprüfungsausschuss auch als Sonderfall so zu betrachten ist; rechtlich mag diese Übergangszeit so statthaft sein, aber in der Politik geht es nicht nach dem, was rechtlich gedeckt ist, sondern wie die Optik aussieht. Außerdem besteht die Gefahr, dass verschiedene verwaltungstechnische Handlungen des Kassenverwalters von Leuten als politische Handlungen eines Bürgermeisters wahrgenommen werden könnten.
  • Arbeitsaufwand. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Christian Ihrenberger über sich selbst behaupten würde, der Posten des Kassenverwalters wäre ein gemütlicher Job, der schnell erledigt sei und viel Raum für Freizeit böte. Wenn der Arbeitsaufwand aber entsprechend groß ist, wovon auszugehen ist, dann muss man erst recht Tempo machen, um neues Personal zu finden. Vielleicht habe ich es nur übersehen, aber auf der Homepage der Gemeinde ist selbst einen Monat nach der konstituierenden Sitzung noch keine Ausschreibung für die Anforderung an einen Finanzverwalter ersichtlich. Kann die Gemeinde denn wirklich monatelang ohne Kassenverwaltung auskommen? Ich bezweifle es.

Und noch einen anderen Tadel muss ich an dieser Stelle aussprechen: das Protokoll zu Tagesordnungspunkt 12 legt nahe, dass der Gemeinderat einstimmig nicht nur (sinnloserweise) dem Bürgermeister die Erlaubnis erteilt hat, er dürfe eine Ausschreibung vorbereiten, sondern er könne die offenen Stellen auch gleich ausschreiben. Ich halte das für einen demokratiepolitischen Unfug, wenn der Gemeinderat dem Bürgermeister erlaubt eine Ausschreibung vorzunehmen, noch bevor er weiß, wie diese aussieht. Wäre ich Gemeinderat, würde mich schon interessieren, ob der Posten genau gleich bezahlt wird wie zuletzt oder ob mehr Gehalt oder weniger geboten wird. Es würde mich interessieren, auf welcher Stundenbasis der Job ausgeschrieben wird und vor allem, welche Qualifikationen verlangt werden. Da sollte man vielleicht schon im Gemeinderat ein paar Minuten opfern, um diese Kleinigkeiten kurz durch zu besprechen. Natürlich benötigt ein genaues Besprechen der Ausschreibungskriterien Zeit, die man sich angesichts der Eile nicht gönnen will, aber aus exakt diesem Grund wäre ja meine Erwartungshaltung gewesen, dass der neue Bürgermeister einen Entwurf dieser Ausschreibung schon bei der konstituierenden Sitzung dabeigehabt hätte. So wirkt seine „Kündigung“ (was es im übrigen nicht ist, aber auf das gehe ich ein anderes Mal ein!) im Kuvert bei wohlmeinender Betrachtungsweise etwas aktionistisch, wenn man es weniger gut mit den handelnden Personen meint, vielleicht sogar etwas unehrlich.

Wer gedacht hat, der Bürgermeister macht sich in Sachen Ausschreibung nach dem 17.03. froh ans Werk, wurde durch die erste reguläre Sitzung des Gemeinderates noch ein weiteres Mal irritiert zurückgelassen. Im (Beschluss-)Protokoll zur Sitzung am 07.04. steht unter Punkt „Personalangelegenheiten“ zwar, dass man Christian Ihrenberger als Buchhalter weiterbeschäftigt (ein Thema, auf das wir noch zu sprechen kommen werden!), aber es ergibt sich keinerlei Hinweis, ob es denn schon eine fertige Ausschreibung für den Posten des Finanzverwalters gibt, ob diese schon veröffentlicht wurde und falls beides mit Ja zu beantworten wäre, ob es denn schon Rückmeldungen gäbe. Mich macht sprachlos, dass zu diesem Thema nicht einmal GV Peter Reinpold (SMI) ungeduldig wird – seine Inkarnation aus der letzten Gemeinderatsperiode wäre wahrscheinlich im Viereck gesprungen, hätte sich die damalige Bürgermeisterin mit einer so wichtigen Ausschreibung so lange Zeit gelassen (ganz zu schweigen, dass man ihr nicht so einfach einen „Freibrief“ für eine Ausschreibung gegeben hätte, wie dies der Wortlaut des Protokolls vom 17.03. nahelegt).

Es bleibt abzuwarten, mit welcher Geschwindigkeit sich das Suchen und Finden eines neuen Finanzverwalters hinzieht. Und wie lange die Opposition zusieht, wenn die Stelle nicht im Eiltempo ausgeschrieben und besetzt wird.