Die Kassenverwaltung – Teil II: Was ist SENSIBILITÄT?
22.04.2022 //
Zuletzt habe ich mich mit der Kassenverwaltung („Finanzverwaltung“) beschäftigt und uns die Frage gestellt, wieso trotz der gebotenen Eile hier so langsam agiert wird.
Jetzt hat die Ausschreibung für die Funktion des „Gemeinde-Finanzverwalters“ nicht nur eine zeitliche Dimension, sondern man muss in dieser Sache auch mit besonderem politischem Feingefühl agieren – zumindest wenn der Bürgermeister selbst der Kassenverwalter der Gemeinde war.
Beginnen wir uns die Sache von dem her anzusehen, was die aktuelle Faktenlage ist:
- Aus dem Protokoll vom 17.03.2022: „Der Bürgermeister Ihrenberger legt das Amt des Finanzverwalters heute und mit sofortiger Wirkung – für die Dauer der Funktionsperiode als Bürgermeister – nieder.“ Und weiter: „Der Bürgermeister fragt beim Gemeinderat an – betreffend dringlicher Ausschreibungen von diversen Stellen wie Finanzverwalter, Parkraumwächter, Recyclinghofbetreuer, Reinigungskraft für die öffentlichen WCs – diese schon vorab vorzubereiten und auszuschreiben.“
- Aus dem Beschlussprotokoll vom 07.04.2022: „Der Gemeinderat beschließt mit 12 Fürstimmen und 1 Enthaltung (Chr. Ihrenberger) Herrn Christian Ihrenberger ab 01.04.2022 weiterhin als Buchhalter mit 25 Stunden/Wo. – Beschäftigungsausmaß 62,5 % (für die Dauer der Bürgermeisterperiode) zu beschäftigen.“
Mehr gibt es dazu erst einmal nicht. Wer sich nun Ende April die Internetseite der Gemeinde ansieht, wird in der Rubrik „Amtstafel“ alles Mögliche finden, aber keine Stellenausschreibung für den Finanzverwalter.
Analysieren wir einmal gemeinsam, was wir hier geboten bekommen:
- Ich bin jetzt keiner, der sich besonders mit den Dienst- bzw. Beschäftigungsverträgen innerhalb der Gemeinde auskennt, aber mich hat einigermaßen stutzig gemacht, dass das „Amt des Finanzverwalters“ wie eine Vereinsfunktion oder ein politisches Mandat betrachtet wird, das man zeitlich begrenzt und vorübergehend einfach so niederlegen kann, um es dann später wieder aufzunehmen. Selbst wenn sich jemand wie im Zirkel des Beamtentums üblich karenzieren kann, so haben meiner Meinung nach gerade die letzten Jahre gezeigt, wie sehr man als Finanzverwalter auf der Höhe der Zeit sein muss, um nicht durch jede Neuerung oder gesetzliche Änderung plötzlich aus der Bahn geworfen zu werden. Sagen wir, Christian Ihrenberger dient seine Periode vollständig durch – und sagen wir, er wird sogar wiedergewählt: will er denn wirklich nach sechs oder zwölf Jahren einfach so auf den Posten des Finanzverwalters zurückkehren, wo sich in dieser Zeitspanne doch sicherlich wieder sehr viel in diesem Bereich getan hat, dass er sicherlich monatelang Zeit in Schulungen verbringen müsste? Ich gehe jetzt einmal nicht davon aus, dass er damit rechnet die aktuelle Gemeinderatsperiode nicht durchzuhalten, also ist dieser Hinweis auf eine Rückkehr nach der Zeit als Bürgermeister ein wenig seltsam. Selbst wenn dies eine Frage ist, die möglicherweise mit seinen Pensionszeiten oder ähnlichen Ansprüchen zu tun hat, so bleibt man verwundert zurück, wenn im Gemeinderat dies niemand anspricht. Für jede Opposition wäre der Hinweis, dass sich der amtierende Bürgermeister schon arbeitstechnisch für die Zeit absichert, wo er über kurz oder lang aus dem Amt purzelt, den einen oder anderen Lacher inklusiv Kopfschütteln wert. Nach der ersten Phase des Schmunzelns käme normalerweise der Punkt dran, wo man sich nach dem Vertrag des Kassenverwalters erkundigt und als Oppositionsgemeinderat diesen vorgelegt bekommen möchte, um zu überprüfen, ob das „vorübergehende Niederlegen“ des Postens überhaupt so möglich ist oder nicht. Damit soll nicht gesagt werden, dass es nicht möglich sei, aber dass niemand nachfragt oder sich für den Vertrag interessiert, ist mehr als seltsam. Vor allem vor dem Hintergrund, dass der Gemeinderat dem Bürgermeister ja offenbar freie Hand lässt, wenn es um die Ausschreibung des „vorübergehend zu besetzenden“ Postens geht. Zusammengefasst: was wir hier sehen, ist einmal definitiv keine Kündigung als Kassenverwalter, sondern eher so etwas wie eine „Ruhendstellung einer Funktion“, wenn wir uns an Ausdrücken aus dem Vereinswesen orientieren. Ich gehe einmal davon aus, dass dieser feine Unterschied uns noch ein wenig länger bei der Beobachtung der Gemeindepolitik begleiten wird.
- Über die Eile, die bei der Suche nach einem neuen Finanzverwalter geboten wäre, habe ich bereits geschrieben. Auch wenn es sicherlich im Protokoll so nicht intendiert war, finde ich es doch einigermaßen erheiternd, dass in der Prioritätenliste bei der Besetzung offener Positionen zwischen dem Finanzverwalter und der Reinigungskraft für die WCs offensichtlich Gleichwertigkeit herrscht. Meine Kritik versteht sich hier ausdrücklich nicht an jenen, die die Protokolle verfassen, sondern an jene, die mit ihren Aussagen es ermöglichen, dass diese Gleichwertigkeiten hergestellt werden. Wiewohl es richtig ist, dass es keine Aufgabe innerhalb der Gemeinde gibt, die geringer ist als eine andere und auch jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter für seine Tätigkeiten und Leistungen entsprechend wertgeschätzt und gelobt werden muss, denn man kann auf niemanden verzichten, so möchte ich doch einmal mehr festhalten, dass die Finanzverwaltung eine besondere Brisanz hat und es sich die jetzige Gemeindeführung eben nicht leisten kann, mit der Ausschreibung dieses Postens ähnlich zu verfahren wie in den anderen aufgezählten Bereichen. Christian Ihrenberger sollte eines bedenken: wenn er der Neubesetzung der Position des Finanzverwalters nicht eine absolute Priorität einräumt und entsprechend Druck macht, um einen Kassenverwalter zu finden, reflektiert dies auf seine eigene bisherige Tätigkeit und er wertet seine Leistungen in den vergangenen Jahren (Jahrzehnten) eigentlich ungerechtfertigt ab. Es soll ja Leute geben, die ihre eigene Arbeit für den Hugo halten, aber die wenigsten stellen sich in die Öffentlichkeit und sagen dies laut.
- Sehen wir uns dann die Sitzung vom 07.04.2022 an. Der Gemeinderat befürwortet, dass Christian Ihrenberger die Buchhaltung der Gemeinde weiterbearbeitet. Nun gut, das ist völlig in Ordnung, richtig und wichtig und das habe ich sogar selbst zuletzt im 1. Textteil über die Kassenverwaltung so unterstützt. Was an diesem Beschluss allerdings völlig irritierend ist, das ist auch hier wieder die Tätigkeitsdauer für die Amtszeit von Christian Ihrenberger als Bürgermeister. Fassen wir mal zusammen:
I.) Christian Ihrenberger ist jetzt Bürgermeister, der auf eine monatliche Aufwandsentschädigung von ca. 2.900 € kommt – er ist nicht Hobby-Bürgermeister, sondern hat die gleichen Aufgaben und Verpflichtungen wie seine Vorgängerin, was in einer 1.500-Einwohner-Gemeinde nun einmal ein Full-Time-Job ist.
II.) Christian Ihrenberger ist nach wie vor Kassenverwalter (weil er nicht gekündigt hat, sondern die Funktion nur temporär niedergelegt hat, wenn es richtig im Protokoll steht), auch wenn es de facto auf eine „Karenzierung“ hinausläuft.
III.) Christian Ihrenberger ist jetzt auch noch Buchhalter der Gemeinde mit 25 Wochenstunden. Und das für die gesamte Periode.
Entweder, Christian Ihrenberger unterschätzt den Arbeits- und Zeitaufwand, den man man für das Amt des Bürgermeisters benötigt, gewaltig oder er überschätzt seine Zeitressourcen, will er neben dem Bürgermeisteramt noch 25 Stunden pro Woche Buchhaltung machen (und nur, damit es nicht in Vergessenheit gerät: Feuerwehrkommandant ist er ja auch noch, dieses Amt wird auch nicht ganz ohne Arbeit ausgeübt werden können). Die ganze Geschichte wirft noch eine weitere Frage auf: Was um Himmels Willen steht in der Ausschreibung für den Finanzverwalter? Für wie viele Stunden wird der denn gesucht, wenn er offensichtlich nicht 25 Stunden pro Woche Buchhaltung erledigen muss. Wie sieht denn das Aufgabengebiet aus, das der neue Finanzverwalter abdecken soll? Es ist in Ordnung, wenn man bis zur Einstellung des neuen Finanzverwalters Christian Ihrenberger mit der interimistischen Führung der Buchhaltung betraut, aber zeitlich darüber hinaus? Ich verstehe hier die Opposition nicht (und schon gar nicht die, die sich in der letzten Periode als Opposition verstanden haben), wieso man so einen Beschluss mitträgt ohne einen Vertragsentwurf zu kennen, der hier der Entscheidung als Grundlage dienen soll. Vielleicht wurde ja darüber gesprochen, was Christian Ihrenberger als Gehalt für diese 25 Stunden bekommen oder wie genau das Aufgabengebiet als „Buchhalter“ aussehen soll, insbesondere in Abgrenzung zum Tätigkeitsprofil eines neuen Kassenverwalters – immerhin ist das ja nicht im öffentlichen Teil der Sitzung behandelt worden. Aber es wäre wichtig, wenn klar gestellt wäre, dass es für diese „Zusatztätigkeit“ nicht nur einen Beschluss des Gemeinderates gäbe, sondern auch einen Vertrag, eine Vereinbarung oder etwas in dieser Richtung, was die Basis für diese Entscheidungsfindung bietet. - Was sich an Punkt 3 direkt anschließt ist eine gewisse Unvereinbarkeit, die einem ins Gesicht springt. Einer dauerhaften Anstellung des Bürgermeisters als Buchhalter der Gemeinde hätte ich, wäre ich Gemeinderat, niemals zugestimmt. Denn man muss sich vorstellen: da wird irgendwann einmal ein Kassenverwalter eingestellt. Dieser ist dann der Vorgesetzte jenes Mannes, der als Bürgermeister selbst wieder sein Vorgesetzter ist. Der Kassenverwalter kann also seinem Buchhaltungsmitarbeiter gar nichts auftragen, was der Bürgermeister nicht will. Nochmals: für die Dauer einer Übergangszeit kann man das – sofern es rechtlich gedeckt ist – wohl so machen, aber ein Modell für eine gelungene Arbeitsstruktur ist dies definitiv nicht. Konflikte und Probleme sind vorprogrammiert.
- Wie ebenfalls in Punkt 3 bereits angesprochen, bin ich neugierig, wie lange es braucht, bis die ersten Bürger ihre Kritik über die Stammtische tragen. Mit Aufwandsentschädigung und Buchhaltungsgehalt (ich nehme nicht an, dass 25 Stunden Buchhaltung ein Ehrenamt sind), erhält Christian Ihrenberger mehr ausbezahlt als seine Vorgänger. Da der Tag nun einmal nicht mehr als 24 Stunden hat, sind Zeitkapazitäten ein endliches Gut, also wird – zieht man die 25 Stunden von einem hypothetischen 40-Stunden-Arbeitstag für den Bürgermeister ab – der Bürgermeisterjob mit der Aufwandsentschädigung überbezahlt. Bei der hypothetischen 40-Stunden-Woche (der Arbeitsaufwand für einen Bürgermeisterjob ist wesentlich höher, nimmt man die Aufgabe entsprechend ernst), dürfte die Aufwandsentschädigung also lediglich 37,5% des Ursprungsbetrages, also 1.087,50 € betragen. Da die Aufwandsentschädigung sich nicht an geleisteten Arbeitsstunden orientiert, gibt es natürlich keine finanzielle Reduktion, sondern der volle Betrag wird dem Bürgermeister ausbezahlt. Diese einfache Rechnung kann jeder in der Bevölkerung anstellen, sogar ohne zu wissen, wie das „Beschäftigungsausmaß in Höhe von 25 Stunden“ bei der Gemeinde abgerechnet wird. Ich gehöre wirklich nicht zu den Leuten, die anderen ein finanzielles Upgrade neidig wären, aber leider gibt es eben genügend Menschen in der Bevölkerung, die bei diesem speziellen Thema ganz besonders sensibel reagieren. Sich als Bürgermeister hier eine Front zu eröffnen, zeugt nicht von besonders ausgeprägtem Feingefühl, das Christian Ihrenberger sonst eigentlich schon bemüht ist den Gemeindebürgern entgegenzubringen.
- Schließlich noch ein paar Worte zum Posten des Kassenverwalters: die Gemeindeführung sollte meiner Meinung nach sehr darauf bedacht sein, dass die Beschäftigung des Bürgermeisters als Teilzeit-Buchhalter nicht dazu führt, dass der Druck nachlässt, möglichst schnell einen Kassenverwalter zu finden. Die Angelegenheit hat immer noch oberste Priorität und sollte nicht verlangsamt werden, weil man denkt, man habe eh schon eine Lösung für die Gemeindebuchhaltung gefunden. Das wäre auch ein völlig falsches Signal nach außen.
Zusammengefasst möchte ich noch einmal betonen, dass meine Kritik sich in allen Punkten nicht per se gegen den Bürgermeister oder die Gemeinderäte an sich richtet, sondern ich ihnen – zumindest bis jetzt – leider ein mangelndes Problemverständnis zuerkennen muss. Keiner der Involvierten wird vermutlich irgendetwas in böser Absicht tun, aber es wäre wichtig, wenn sich die Beteiligten ein entsprechendes Bewusstsein zulegen würden, dass sie gerade in einer so heiklen Sphäre wie der Finanzverwaltung besondere Sensibilität an den Tag legen müssen. Und diese Sensibilität wird im Augenblick leider schmerzlich vermisst.