Die Kassenverwaltung – Teil III: Was ist TRANSPARENZ?
12.05.2022 //
Vorausgeschickt: es liegt mir nichts daran nach jedem Haar in der Suppe zu suchen und vielleicht mag ich ja nicht über jede Bewegung in der Amtsstube der Gemeinde Bescheid wissen, aber wenn ich als interessierter Bürger schon nicht die Informationen erhalte, auf die ich warte, dass sie von der Gemeinde an die Öffentlichkeit gegeben werden, wie mag es dann der breiten Öffentlichkeit ergehen, die nur wenig oder schwach die Geschehnisse verfolgt? Auch möchte ich ausdrücklich festhalten, dass sich selbst verständlich alle handelnden Personen im Rahmen des rechtlich Möglichen bewegen, nur ist heute – wie wir von der Bundesebene wissen – nicht der rechtliche Rahmen das was in der Politik zählt, sondern die Außenwirkung, der man sich bewusst sein sollte.
Bevor ich auf die Gemeinderatssitzung vom 05.05.2022 eingehe, noch ein genereller Hinweis: gegenwärtig findet in Nationalrat ein Untersuchungsausschuss statt, den die Opposition ins Leben gerufen hat, mit dem Ziel die Praktiken des „Postenschachers“, der internen Postenbesetzungen oder der so genannten „Freunderlwirtschaft“ und ähnlichem aufzudecken. Es geht der Opposition darum herauszuarbeiten, wieso immer wieder ein bestimmter Personenkreis seine eigene Gefolgschaft mit Posten und Ämtern, Verträgen und Beauftragungen ausstatten würde und dabei so gut wie keine Transparenz gegeben sei. Im redlichsten Fall dient der Ausschuss dazu, Lehren für die Zukunft zu ziehen, wie man transparent Posten vergeben kann. Unterstellt man der Opposition sich vom niederen Instinkt leiten zu lassen, müsste man das Ziel des Ausschusses so bezeichnen, dass die Opposition so lange auf Regierungsmitglieder auf offener Bühne verbal einprügeln mag, bis diese unter der Last des medialen Donnerwetters zusammenbrechen und der Reihe nach zurücktreten. Im Grunde geht es nicht darum, dass Leute, die Posten in der Verwaltung innehaben nicht kompetent wären – was der Opposition so sauer aufstößt ist vor allem, dass im Zuge eines Postenbesetzungsverfahrens Leute übergangen, Ausschreibungen zurecht gebogen oder Leute in Funktionen geholt worden, die den Auswählenden eben genehm gewesen seien. Ich werde das hier sicher nicht bewerten, was sich auf Bundesebene abspielt, ich möchte nur für die kommenden Zeilen, dass sich jeder Leser im Bewusstsein hält, dass es bei Postenbesetzungen vielfach um die Optik geht, die von Medien und Oppositionsparteien kritisiert und zum Teil sogar kriminalisiert wird.
Dies hier gesagt, kommen wir nun nach Scharnitz. Ich halte folgende Tatsachen fest:
* Bei der konstituierenden Sitzung des Gemeinderates wurde der Posten des Finanzverwalters (auch: Kassenverwalters) der Gemeinde nicht ausgeschrieben, sondern der Bürgermeister wollte sich erst einmal auf die Suche machen (siehe Protokoll vom 17.03.2022, Seite 5).
* Bei der 1. regulären Sitzung im April wurde unter „Personalangelegenheiten“ lediglich die Bestellung des amtierenden Bürgermeisters zum Buchhalter beschlossen. Über den Posten Finanzverwalters (siehe Protokoll vom 07.04.2022, Seite 7) wurde keine Silbe gesprochen – offenbar hat es also zu diesem Zeitpunkt noch immer keinen Ausschreibungstext gegeben.
* Bei der außerordentlichen Sitzung am 27.04.2022 war das Thema des Finanzverwalters überhaupt nicht präsent. Der Bürgermeister hatte nichts zu berichten (siehe Protokoll vom 27.04.2022), obwohl jede aufmerksame Oppositionsfraktion spätestens bei „Anträge, Anfragen und Allfälliges“ hätte nachhaken müssen, wie es denn um die Ausschreibung und die Bewerbungen für den Posten des Finanzverwalters steht.
* Bei der Sitzung am 05.05.2022 wurde schließlich die neue Finanzverwalterin der Gemeinde bestellt: Manuela Lechner, Schwägerin des GFS-Gemeinderates, für 75% und 30 h/Woche (siehe Beschlussprotokoll vom 05.05.2022).
In der Bundespolitik wäre unser Bürgermeister nach den Maßstäben, die SPÖ, FPÖ und NEOS im Untersuchungsausschuss anlegen, jetzt rücktrittsreif.
Ich mag Christian Ihrenberger sehr gerne und deshalb muss ich bei solchen Ereignissen immer wieder frustriert die Hände über den Kopf zusammenschlagen, wenn sich jemand – wie man in Amerika sagt – „selbst in den Fuß schießt“. Warum sage ich das so drastisch?
- Ich kann mich täuschen, aber der Posten des Finanzverwalters wurde nicht öffentlich ausgeschrieben. Zwischen 17.03. und dem 05.05. habe ich regelmäßig auf der Homepage der Gemeinde nachgesehen, doch dort war (zu diesem Zeitpunkt) nur die Suche nach einer Kraft für den Kinderhort ausgeschrieben. Meiner Meinung nach, hätte eine Ausschreibung für die Finanzverwaltung zumindest dort landen müssen. Ich habe mich umgehört: auch einen Postwurf zur offenen Stelle habe es nicht gegeben, auch kein Inserat in einer Zeitung. Zumindest sagen mir das die Leute, die die Medien wesentlich gründlicher verfolgen als ich es manchmal vermag, und jene, die sich – gerade als Nicht-Scharnitzer – vielleicht gerne für den Job beworben hätten, hätten sie gewusst, was für die Stelle verlangt werde, wieviel bezahlt werde und für wie viele Stunden eine Anstellung angedacht sei.
Liebe Freunde! – Wir haben es ausgehend von diesem Punkt mit einem Kaskaden-Problem mit Skandal-Potenzial zu tun!
Denn die nicht erfolgte öffentliche Ausschreibung, bei der es sich offenbar um eine intern durchgeführte Suche handelte, ist weder transparent noch politisch korrekt. Sie birgt auch Risiken, weil sich Leute, die sich gerne beworben hätten, übergangen fühlen könnten und auf die Idee kommen könnten, die Gemeinde zu verklagen, weil ihre Bewerbung keine Berücksichtigung finden konnte, nachdem sie sich ja nicht bewerben haben können, weil der Posten nicht ordnungsgemäß ausgeschrieben war (auch wenn solche Klagen keine Aussicht auf Erfolg haben). Natürlich kann man jetzt einwerfen, im Protokoll der vergangenen Sitzungen sei ja dokumentiert, dass man einen Finanzverwalter sucht. Auch könnte man behaupten, man habe eine „hausinterne Suche“ nach Qualifizierten vorgezogen, bevor man sich an die Öffentlichkeit wendet – auch das wäre ja kein Problem, wäre nicht im Protokoll vom 17.03. ausdrücklich eine Ausschreibung angekündigt worden. Aber bitte, wie soll sich jemand für eine Stelle bewerben, wenn er die Ausschreibungskriterien nicht kennt und diese nicht kommuniziert werden?
- Die Kaskade nimmt ihren Lauf, wenn es um die Kriterien geht, die für den Posten des Finanzverwalters angelegt werden. Niemand weiß, welche Qualifikationen denn eigentlich bei einem neuen Finanzverwalter gesucht wurden. Nicht nur die Qualifikation – was muss die Person können – sondern auch die Frage, für wie viele Stunden wird jemand gesucht, wäre interessant gewesen. Gerade in einem so heiklen Bereich wie bei der Kassenverwaltung hätte es eine ordentliche Ausschreibung geben müssen, mit Bewerbungsfristen und klaren Kriterien. So, wie das hier offenbar abgelaufen ist, hat der außenstehende Beobachter folgende Eindrücke: (A) Es gibt kein Interesse seitens des Bürgermeisters, dass jemand den Posten besetzt, der von außen kommt; (B) Es gibt noch weniger Interesse seitens des Bürgermeisters zu beschreiben, was denn das aktuelle Tätigkeitsfeld des Finanzverwalters ist und welche Qualifikation erwartet würde, denn dann würde es ja eine Vergleichbarkeit mit seiner bisherigen Arbeit in dieser Funktion geben; (C) Es gibt kein Interesse, dass die Öffentlichkeit plötzlich erfährt, wieviel so ein Kassenverwalter – und damit auch der Bürgermeister bisher in seiner vorherigen Karriere – so verdient. Ich behaupte hier nicht, dass sich unser Bürgermeister oder die Gemeinderatsfraktionen dies so gedacht haben, bevor auf eine öffentliche Ausschreibung verzichtet wurde, aber es ist nun einmal die Außenwirkung, wie es Beobachter wahrnehmen können.
An dieser Stelle noch ein Hinweis: vielleicht war der Posten ja sogar wirklich ausgeschrieben und mein Rechercheteam und ich sind nur daran gescheitert den Text irgendwo auszuheben. Allerdings sei in diesem Fall gleich gesagt, dass es auch eine hohe Kunst ist, die für sich selbst spricht, wenn man eine Ausschreibung möglichst so versteckt, dass sie keiner sieht – zumindest nicht die, die sie sehen wollen.
- In dieser Kaskade schließt sich dann das nächste Problem an: ohne genaue Ausschreibung mit Anforderungen und Qualifikationskriterien, ist nicht klar, was die neue Kassenverwaltung nun erwartet. Ich weise ausdrücklich auf folgenden Umstand hin: in der konstituierenden Sitzung hat der Bürgermeister seine „Funktion“ als Kassenverwalter „zurückgelegt“. Ich habe jemanden gefragt, der Arbeitsrecht studiert hat und habe die Antwort erhalten, der Job als Finanzverwalter der Gemeinde sei entweder gekündigt oder nicht; aber ein „Zurücklegen bis zum Ende der Bürgermeisterperiode“ ginge jedenfalls nicht. Natürlich kenne ich den Vertrag von Christian Ihrenberger nicht, aber selbst wenn darin die Möglichkeit einer de facto „Karenzierung“ für einen Zeitraum X vorgesehen wäre, würde dies bedeuten, dass sein Ersatz in der Finanzverwaltung damit nur einen befristeten Vertrag hat oder bekommen müsste, sonst stellt die Gemeinde, sollte Christian Ihrenberger aus irgendwelchen Gründen z.B. nach vier Jahren das Handtuch werfen und zurücktreten, plötzlich mit zwei Finanzverwaltern da. Und dann? Wer muss dann gehen? Mit welchen Zusatzkosten ist das Auszahlen des überschüssigen Kassenverwalters verbunden? Dies wären Fragen, die unter „Personalangelegenheiten“ jedenfalls die Opposition hätte zur Sprache bringen müssen. Die Opposition (Guten Morgen, übrigens!) hat es jedoch noch nicht einmal geschafft sich einen Entwurf für einen Dienstvertrag zeigen zu lassen – zumindest steht in keinem Protokoll, dass so einer eingefordert worden wäre. Jetzt wurde also jemand für die Finanzverwaltung eingestellt und offenbar kennt niemand mit Ausnahme des Bürgermeisters und einiger Eingeweihter die Vertragsinhalte? Auch hier: ich bin nicht Mitglied des Gemeinderates und schon gar nicht in nicht-öffentlichen Sitzungen anwesend. Aber nachdem ich nirgendwo im Beschlussprotokoll oder der Tagesordnung gelesen habe, dass „basierend auf einem Vertragsentwurf“ etwas beschlossen wurde, bleibt mir keine andere Wahl als meine Schlussfolgerung so zu ziehen wie ich es hier gemacht habe. Ich rate dem Gemeinderat dringend sich dazu öffentlich zu äußern, ob der Vertrag für die neue Finanzverwalterin dem Gemeinderat vorgelegt wurde oder nicht, und auch, ob der alte Vertrag von Christian Ihrenberger als Vorbereitung auf die Einstellung Gegenstand einer Prüfung durch den Gemeinderat war. Falls dem nämlich nicht so ist, hat der nächste Überprüfungsausschuss für die kommende Quartalsrechnung nämlich ganz andere Aufgaben als einfach nur Belege zu besichtigen und Kontostände zu beäugen. Ein Gemeinderat, der ohne die genauen Vertragsbedingungen zu kennen einfach im Blindflug der Anstellung einer Finanzverwalterin zustimmt, das nenne ich wirklich ein Kuriosum.
- Die Kaskade geht noch weiter. Die Ernennung (Bestellung? Abgestimmte Einstellung?) von Manuela Lechner als Finanzverwalterin der Gemeinde ist mehr als atemberaubend. Ich habe mich umgehört: Frau Lechner ist hochqualifiziert, eine tolle Frau und die Gemeinde Scharnitz kann sich glücklich schätzen, sie im Boot zu haben und für die Tätigkeit als Finanzverwalterin gewinnen zu können. Genau deshalb tut es mir aber umso mehr leid, wenn ich die Außenwirkung sehe, die nun entstanden ist. Da gibt es einen Bürgermeister, selbst vormals Finanzverwalter, der mit seiner Mehrheit seine Fraktionskollegin (eine Rechtsanwältin) zur Obfrau des Überprüfungsausschusses macht und die Schwägerin eines anderen Fraktionsmitglieds wird dann zur Kassenverwalterin bestellt. Und das mutmaßlich ohne offizielle Ausschreibung. Liebe Leser, stellen Sie sich bitte einmal vor, was ein Bundespolitiker wie Peter Pilz zu diesem Vorgang gesagt hätte; was ein Untersuchungsausschuss in Wien zu so einem Vorgang sagen würde! – Wie gesagt, Frau Lechner ist die beste Kraft, die man sich wünschen kann, aber die Optik ihrer Bestellung ist so verheerend, dass man sich schon die Frage stellen muss, ob der gesamte Gemeinderat denn gar nicht mitbekommen hat, was in den Medien mit welchem angesetzten Maßstab über Korruption und Postenschacher geschrieben wird? Nicht missverstehen: ich bezichtige niemandem etwas rechtlich Inkorrektes gemacht zu haben, aber die Postenbesetzung der Finanzverwaltung präsentiert ein Sittenbild, gegen das die halbe Republik und die mediale Öffentlichkeit seit gefühlten drei Jahren permanent Sturm läuft.
- Die Kaskade ist noch nicht zu Ende: die Arbeitszeit der Finanzverwalterin beträgt 30 Stunden pro Woche. Jetzt kommt noch dazu, dass Christian Ihrenberger sich vom Gemeinderat zum Buchhalter für 25 Stunden pro Woche anstellen ließ. Abgesehen davon, dass Frau Lechner jetzt die Vorgesetzte und gleichzeitig die Untergebene von Christian Ihrenberger ist und deshalb sehr spannend ist, wie die beiden ihren Arbeitsalltag gestalten werden, wundere ich mich doch, wieso plötzlich die Finanzverwaltung 55 Stunden pro Woche benötigt, wenn doch – nach übereinstimmenden Aussagen vormaliger Gemeindefunktionsträger – der bisherige Kassenverwalter mit seinen 40 Stunden pro Woche schon ohne Probleme ausgekommen ist. Wenn man die Details – von der Obfrau-Wahl des Überprüfungsausschusses – bis zur Personalpolitik in der Gemeindefinanzverwaltung aneinander reiht, so zieht sich ein roter (oder oranger, wenn das Listenlayout die Farbe der Fraktion repräsentiert) Faden hindurch: in der neuen Ära der Gemeinde Scharnitz ist die unabhängige (neutrale) Verwaltung im Finanzbereich inklusive ihrer Überprüfung ersetzt worden durch die totale Kontrolle der GFS bzw. des Bürgermeisters. Nach Rücksprache mit dem Präsidenten des Tiroler Gemeindeverbandes ist auch in diesem Fall alles völlig legal, aber auch er hält die Vorgangsweise politisch für ein absolut schlechtes Signal, das man als Bürgermeister besser vermeiden sollte.
Ich stelle mir die Frage, was die Opposition zu dieser Sache sagt? Bisher nichts. Alles wird durchgewunken. Ein Peter Reinpold (zumindest in seiner Inkarnation aus der letzten Gemeinderatsperiode) hätte wahrscheinlich angesichts dieser Vorgänge und Vorgangsweisen einen mittelschweren cholerischen Anfall im Gemeinderat bekommen. Aber so zeigt es sich auch hier einmal mehr: der Standort bestimmt den Standpunkt.