Ein Rückblick auf die Gemeinderatssitzung vom 05.05.2022
20.05.2022 //
Nachdem die Sitzungsprotokolle immer erst nach ihrer Genehmigung bei der darauffolgenden Gemeinderatssitzung veröffentlicht werden, bin ich zur Beurteilung der Sitzung vom 05.05.2022 zunächst einmal auf das Beschlussprotokoll angewiesen. Ich darf hier kurz ein Resümee ziehen und folgende Punkte hervorheben:
Kassenprüfung des 1. Quartals
Es ist schön zu sehen, dass hier GV Siegfried Gaugg (FS) als Obmann-Stellvertreter des Überprüfungsausschusses den Bericht vorträgt. Angesichts des Umstandes, dass die Obfrau des Ausschusses zur GFS-Fraktion des Bürgermeisters gehört, hoffe ich, dass dies auch künftig so gehandhabt wird, da es mir wichtig erscheint, wenn die Prüfung von der Oppositionsfraktion vorgenommen wird. Die Mehrheitsfraktionen profitieren in der öffentlichen Wahrnehmung ebenfalls davon, wenn die kontrollierende Fraktion ihnen bescheinigt, dass sie ordentlich und gut arbeiten.
Bau- und Raumordnungsangelegenheiten
Zu diesen Punkten werde ich – wenn nicht wirklich etwas zu hinterfragen ist – selten Stellung nehmen, da sie zu den Themenbereichen gehören, die am wenigsten kontroversiell diskutiert werden und im Allgemeinen (unabhängig von der Gemeinderatsperiode) auch immer gut vorbereitet wurden und werden.
Personalangelegenheiten
Zu diesem Thema war ein eigenständiger Exkurs nötig, der im Teil III der Serie über die Kassenverwaltung von mir abgehandelt wurde.
Generelle Feststellungen
Man hört immer wieder, der neue Gemeinderat würde sich geradezu in die Arbeit stürzen. Nach Rückfragen meinerseits ist es allerdings immer wieder auffällig, dass vieles, was so auf die Tagesordnung einer Sitzung kommt, bereits vom letzten Gemeinderat auf den Weg gebracht oder initialisiert wurde. Dabei ist spannend, dass auch Themen, die vorher noch von der damaligen Opposition kritisiert wurden, nunmehr ihre fröhliche Behandlung finden, nachdem die damalige Opposition nunmehr zur neuen Mehrheit gehört.
Die Sache mit der Parkkarte…
Den Schwerpunkt dieses Artikels möchte ich auf das Thema der Jahresparkkarte bzw. der Parkraumbewirtschaftung insgesamt lenken. Nachdem der Bürgermeister bei der Sitzung am 27.04.2022 bereits den Gemeinderat dazu eingeladen hat, sich darüber Gedanken zu machen, ob es für Einheimische ein vergünstigtes Parkticket für die Parkplätze in Scharnitz geben soll, scheint dieser wohl nicht lange für seine Überlegungen gebraucht zu haben, denn schon für den 05.05.2022 (fünf Werktage Einberufungsfrist für die GR-Sitzung bedeutet demnach, die Beratungen über das günstige Ticket wurden zwischen 28.04. und 29.04. abgeschlossen) wurden die neuen Parkticketpreise auf die Tagesordnung der neuen Sitzung gehievt.
Jetzt will ich kein Spielverderber sein, aber vermutlich war die Ankündigung am 27.04. ein „Showact“, weil die Ideen und Vorschläge, die am 05.05. beschlossen wurden, bereits schon vor der Sitzung am 27.04. intern abgestimmt waren. Ein Mitglied des letzten Gemeinderates hat mir auch mitgeteilt, dass die Überlegungen für eine Jahresparkkarte für Einheimische schon in der letzten Gemeinderatsperiode von Isabella Blaha (BFS) angestellt wurden und daher ist der Verdacht naheliegend, dass der neue Gemeinderat einfach ein noch nicht abgeschlossenes Thema in die Hand genommen hat und es als pure Eigenleistung verkauft.
Ich will hier aber keine „Wer-hat’s-erfunden“-Debatte führen, sondern darauf hinweisen, dass die Angelegenheit mit dem Parkticket und den Ticketpreisen so aktionistisch vom Gemeinderat behandelt wurde, dass man den Gremien ebenso gut abkaufen kann, dass sie zwischen 28.04. und 29.04. wirklich nicht mehr als 24 Stunden über die Angelegenheit nachgedacht haben. Warum?
- Die Einrichtung von kostenpflichtigen Parkplätzen und das Anheuern eines gemeindeeigenen Parksherriffs hatte den Zweck, die Verkehrsströme der Gäste zu lenken und Wildparken zu unterbinden, weil man den Besuchern sagen konnte, es gäbe öffentliche Parkplätze, wo sie hin fahren und ihr Auto abstellen sollen. Die „Gäste-Parkplätze“ sind eigentlich nicht dazu gedacht gewesen, dass sich jetzt auf ihnen (noch dazu um den Billigpreis von 25 € pro Jahr!) die einheimische Bevölkerung herumtummelt. Nicht falsch verstehen: ich bin der erste, der uns Einheimischen mehr gönnt als dem auswärtigen Gast, aber was ist denn die Konsequenz? Die Zahl der freien Parkplätze nimmt durch die Einheimischen ab und die Gäste, die mit dem Auto zum Wandern anreisen, werden – wenn die Parkplätze besetzt sind – wieder mit dem Wildparken beginnen. Ich nehme als Beispiel den Parkplatz in Gießenbach: wenn eine zahlreiche Gruppe Einheimischer und Hundebesitzer zum Spazierengehen dort parkt, wird es nicht lange dauern, bis die Siedlung in Gießenbach wieder von Mountainbikern und Wanderern ins Eppzirl zugeparkt wird. Der Lenkungseffekt der Gästeströme ist durch dieses Jahresparkticket komplett unterlaufen worden!
- Der zweite Punkt, der auffällt, ist die Frage nach der Verfügbarkeit. Ich weiß jetzt nicht, wie viele Einheimische sich dieses Jahresparkticket kaufen werden, aber nehmen wir wieder die Bewohner her, die gerne mit ihrem Hund spazieren fahren oder auch sonst ihre Wege gerne mit dem Auto abkürzen. Ich will hier niemanden der Einheimischen deswegen kritisieren, es soll jeder das so machen, wie es ihm oder ihr gefällt. Lassen wir mal beiseite, dass man den innerörtlichen Verkehr durch das Anbieten von Parkplätzen in den Randbereichen der Gemeinde wieder steigert, aber ich vermisse eine Limitierung der Zahl der jährlich ausgegebenen Parktickets. Ich habe die Stellplätze jetzt nicht durchgezählt, aber wenn die einzigen Kriterien für die Ausgabe des Tickets das Zahlen der 25 € und der Hauptwohnsitz ist, frage ich mich, was passiert, wenn mehr Leute so ein Ticket kaufen als es Stellplätze gibt. Ohne irgendeine Regelung, sind Konflikte vorprogrammiert: da werden sich Leute bei der Gemeinde beschweren, weil sie ein Jahresticket gekauft haben und plötzlich den Parkplatz nicht nutzen können, weil er überfüllt ist – dabei werden die Einheimischen zurecht darauf pochen, dass sie ja genauso wie andere für das Ticket bezahlt haben und sich dafür auch eine Leistung erwarten. Oder wie sieht es aus mit dem Konflikt zwischen Einheimischen und Gästen? Wann wird der erste Wandertourist vom Parkplatz gescheucht, weil er zufällig gleichzeitig mit dem Einheimischen den Parkplatz erreicht, dieser aber schneller eingeparkt hat? Wann werden die ersten Diskussion darüber beginnen, wer wem den Parkplatz wegnimmt? Gedanken, was das bedeuten würde, wenn z.B. alle Haushalte mit Auto ein solches Ticket kaufen, hat man sich im Gemeinderat wohl nicht gemacht.
- Nehmen wir nun an, das Einheimischen-Ticket wird wirklich so ein großer Renner. Ich darf darauf hinweisen, dass die Parkplätze auch gute Einnahmen für das Gemeindebudget erwirtschaften. Wenn das Einheimischen-Ticket nur 25 € im Jahr kostet (= 0,0085 Euro für 3 Stunden, verglichen mit 3 € für denselben Zeitraum für den Auswärtigen), die Gäste aber für Stunden wesentlich mehr zahlen als der Einheimische pro Stunde, welche Auswirkungen hat das dann auf die Einnahmen der Gemeinde? Wenn plötzlich Parkplätze nicht mehr von Gästen benutzt und bezahlt werden, welche Auswirkungen hat denn dies? Ich bin sicher, der Bürgermeister als ehemaliger (oder: „ruhend gestellter“?) Kassenverwalter wird den Gemeinderat sicherlich vor der Beschlussfassung mit einem Szenarientrichter versorgt haben, bei dem der Worst-Case und der Best-Case bei den Einnahmen durch die neuen Parkplatzgebühren kalkuliert worden ist. Falls nicht, wäre es Aufgabe der Opposition so etwas einzufordern. Als Opposition würde ich einen Antrag stellen, um nach der Sommersaison die Frequenz am Parkplatz zu evaluieren und die finanziellen Einnahmen mit dem Vorjahr zu vergleichen. Dann hätte man eine Indikation, ob die neuen Preise wirklich der Weisheit letzter Schluss waren oder nicht.
- Bleiben wir bei den Preisen. Vielleicht ist es untergegangen, aber die Abschaffung der 2-€-Vergütung bedeutet eine radikale Preissteigerung für das Parkticket. Wenn man die Gäste bisher schon über Parkgebühren hat jammern hören, konnte man sie von der Sinnhaftigkeit der Kostenpflicht zumindest noch damit überzeugen, dass sie mit dem Ticket als Bonus/Gutschein noch irgendwo etwas im Wert von 2 € bekommen können. Entfällt dies, werden die Beschwerden über das „teure Parken“ durch die Gäste wieder einsetzen und einmal mehr das Wildparken im Ortgebiet fördern.
- Das Wildparken ist auch so eine Angelegenheit für sich. Wie dem Protokoll vom 05.05. zu entnehmen ist, gibt es immer noch keinen Parkwächter. Ja, wer um alles in der Welt soll denn das ansteigende Wildparken jetzt im Sommer kontrollieren? Wird der Bürgermeister die Strafzettel austeilen gehen? In diesem Zusammenhang sei auch auf eines hingewiesen: ein Einheimischen-Ticket, das von 06:00 bis 24:00 pro Tag das Parken erlaubt – so ein Beschluss ist mehr als lebensfern! Ja, wer wird denn zwischen Mitternacht und 06:00 die Parkplätze abklappern und kontrollieren, ob denn wirklich alle mit diesem Ticket heimgefahren sind? Wird z.B. am Nachmittag durch einen – hoffentlich bald eingestellten! – Parkwächter kontrolliert, dann ist das mit dem Jahresticket versehene Fahrzeug vielleicht schon die halbe Woche am Parkplatz, aber weil es im richtigen Zeitraum kontrolliert wird, fällt das gar nicht auf.
Ein anderer Aspekt, der in dieser ganzen Thematik verloren gegangen ist, ist das Thema der Parkplätze an sich. Während des Wahlkampfes wurde darüber diskutiert, ob der Parkplatz im Ortszentrum (P2 – Länd) wegkommen soll oder nicht. Ich hätte mir erwartet, dass die Gemeinderatsfraktionen dieses Thema zuerst angehen, bevor sie anfangen an Stellschrauben wie den Parkgebühren herumzupfuschen. Denn die gesamte Parkraumbewirtschaftung hängt ja zusammen und wenn das große Konzept nicht auf dem Tisch liegt, kann man die Details der Ausgestaltung (Preise, Parkdauern, Lenkungseffekte) gar nicht ordentlich behandeln. Normalerweise hätte man diesen plumpen Aktionismus mit den Parktickets und Gebühren unterlassen sollen, sondern der Infrastrukturausschuss hätte eine Arbeitsgruppe bilden müssen, die sich mit folgenden Fragen beschäftigt:
- Welche Parkplätze sollen in Scharnitz überhaupt noch in Zukunft angeboten werden?
- Wie wird der innerörtliche und außerörtliche Verkehr durch die künftigen (bleibenden oder neuen) Parkplätze beeinflusst?
- Welche Einnahmensituation stellt sich dar, wenn man auf bestimmte gut genutzte Parkplatzflächen verzichtet und das Angebot zusammenschrumpft? Welche Auswirkungen haben verminderte Einnahmen auf das Gemeindebudget?
- Wie wird dem Wildparken künftig begegnet und welche Maßnahmen dagegen muss die Gemeinde ergreifen, wenn es vielleicht weniger Parkplatzangebote für Gäste gibt?
- Wie steht es um eine Bedarfserhebung für ein Einheimischenticket? (Anm.: was in Leutasch Sinn macht, wo es ein langes Tal mit weit auseinander liegenden Siedlungsräumen gibt, muss für Scharnitz noch lange nicht intelligent sein. Gegen Leutasch ist das Siedlungsgebiet von Scharnitz ein zentraler Ballungsraum!) Wie viele Parkplätze müssen für Einheimische reserviert werden? Wer hat Vorrang – Einheimischer oder Tourist und wie wird das geregelt? Hat der Jahreskartenbesitzer einen Rechtsanspruch auf seinen Parkplatz?
- Welche Rolle spielen die Park-and-Ride-Flächen, die beim Gießenbacher Bahnhof entstehen sollen im Gesamtkonzept der Parkraumbewirtschaftung?
- Wie sieht eine optimale Preisgestaltung für die Tickets aus (unter der Berücksichtigung der Abschaffung von Gutschein-Modellen)? Bei welchen Preisen erwirtschaftet man durch eine ausgeglichene Preisgestaltung in Kombination mit einer optimalen Nutzung der Parkplätze die meisten Einnahmen?
Ich hätte in so eine Arbeitsgruppe Gemeinderäte gesetzt, die ihren Kompetenzschwerpunkt bei der Raumordnung, der Verkehrsplanung und im Bauwesen haben, ebenso wie ich Mitarbeiter des Bauhofs und der Finanzverwaltung (im aktuellen Fall also den Bürgermeister selbst) mitarbeiten hätte lassen, jemanden, der Ahnung vom Tourismus und der Gästemobilität hat, auch eine Persönlichkeit vom Naturpark und eine rechtskundige Persönlichkeit (auch damit kann die GFS-Fraktion aufwarten). Vielleicht hätte man den einen oder anderen kompetenten Außenstehenden auch noch zur Mitarbeit einladen können, damit das Endergebnis Hand und Fuß hat und professionell vorbereitet wird.
Anstatt ein komplexes Thema sinnvoll anzugehen, hat sich der Gemeinderat für die Einzelmaßnahme der Ticket- und Preisgestaltung entschieden, ohne lange darüber nachzudenken, und dabei die ersten Bodenplatten auf dem sprichwörtlichen Holzweg verlegt. Ich hoffe sehr für alle Beteiligten und gerade die Bürgerinnen und Bürger, dass bald ein professionellerer Umgang mit komplexen Themen Einzug im Gemeinderat halten wird…