Ein Rückblick zur Gemeinderatssitzung
08.04.2022 //
Die erste „reguläre“ Gemeinderatssitzung nach der konstituierenden Sitzung haben wir nun hinter uns und es ist Zeit, sich darüber zu unterhalten. Vorweg: es ist schön zu sehen, dass sich auch wieder viele Gemeindebürger im Sitzungssaal eingefunden haben, um zu erfahren, was es Neues gibt.
Vielleicht sollte ich auch noch einen anderen Punkt vorausschicken: es ging in dieser Sitzung um viele verschiedene Themen, die in ihrer Gesamtheit doch ziemlich komplex sind und auf die ich hier zunächst gar nicht im Detail eingehe. Das hat Gründe: erstens, weil sie den Scharnitzer Gemeinderat (und die Bevölkerung) noch viele weitere Male beschäftigen werden, und zweitens, weil es sich diese Themen verdient haben, einen eigenen Beitrag gewidmet zu bekommen, wenn die Zeit dafür reif ist (Anmerkung: Prominentes Beispiel dafür ist das Thema Gewerbegebiet). Der geneigte Leser oder die Leserin sollten sich also nicht wundern, wenn sie inhaltliche Themen hier in der ersten Rückschau „vermissen“.
Nun zur Gemeinderatssitzung und einer ersten Analyse, was an ihr auffällig war:
- Die Vorsitzführung des Bürgermeisters. Als die konstituierende Sitzung des Gemeinderates stattfand, wurde ich leider von einer Magen-Darm-Grippe (so etwas soll es ja trotz Corona-Pandemie auch noch geben…) heimgesucht und konnte deshalb nicht persönlich daran teilnehmen. Aus diesem Grund war diese nun für mich die erste Sitzung, bei der ich Christian Ihrenberger als Bürgermeister in Aktion erlebt habe. Angesichts des Umstandes, dass Christian Ihrenberger ja schon lange genug in der Gemeinde als Kassenverwalter arbeitete, war mir zwar klar, dass er in der neuen Rolle als Bürgermeister nicht als nervöser Quereinsteiger auffällig werden würde, aber ich hätte jetzt auch nicht unbedingt damit gerechnet, dass sein Auftreten, die Moderation der Sitzung und sein herzlicher und einnehmender Charme, mit dem er seinen Gemeinderatskollegen und der Zuhörerschaft begegnete, sehr souverän war. Das Amt des Bürgermeisters neu zu übernehmen, bedeutet für den neuen Amtsträger immer ein Stück weit unbekanntes Terrain zu betreten, weil man sich in dieser Rolle nie ganz sicher sein kann, wie der eine oder andere Mandatar auf etwas reagiert oder mit welcher Frage er kommen könnte. Die Erwartungshaltung bei der Zuhörerschaft (und den Wählern letztlich, denn die Zuhörer erzählen weiter, was sie erlebt haben) muss ein Neo-Bürgermeister natürlich auch treffen. Das kann gerade am Beginn einer Amtszeit durchaus zu einem etwas unsicheren oder vorsichtigen Auftreten führen. Christian Ihrenberger hat es jedoch geschafft, mit einer Portion Humor, mit freundschaftlicher Verbindlichkeit und bescheidener Bodenhaftung gleich in dieser ersten Sitzung einen guten Eindruck zu hinterlassen. Mit seiner Authentizität hat er damit auch seinen Anspruch vermitteln können, mit allen Fraktionen gut zusammen arbeiten zu wollen. Wir wollen ihm wünschen, dass er sich Wesen und Art bewahrt und auch, wenn die Zeiten schwieriger werden, daran festhält.
- Fehler erkannt – Gefahr gebannt. Schon als Feuerwehrkommandant weiß Christian Ihrenberger, dass man – falls wo ein kleines Feuer ausbricht – es schnell löschen muss, um größere Probleme zu verhindern. Deshalb finde ich es sehr positiv, wenn der von mir thematisierte Fehler, die rechtlich falsche Besetzung beim Überprüfungsausschuss, gleich aus der Welt geschafft wurde und ein regulärer Gemeinderat in den Ausschuss nachbestellt wurde. Es ist wichtig, dass man im politischen Geschäft – gerade auf kommunaler Ebene – rasch bereit ist, Fehler zuzugeben und sich nicht zu schade ist, sie dann auch gleich zu korrigieren. Das hat der Gemeinderat gemacht und so sollte es auch sein. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass es offenbar nicht nur die Liste „Gemeinsam für Scharnitz“ (GFS) ist, die bei der konstituierenden Sitzung ins Fettnäpfchen getreten ist, sondern es auch der Liste „Für Scharnitz“ (FS) ein Lapsus unterlief. Wie zu erfahren war, hat sie offenbar Marc Rupf zu einem Ersatzmitglied des Gemeindevorstandes bestimmen wollen, was aber nicht zulässig war, da diese Gemeindevorstands-Funktionen nur einem österreichischen Staatsbürger, nicht jedoch einem EU-Bürger, vorbehalten sind (siehe: TGWO 1994 § 77). Jetzt muss man aber dazu sagen, dass erstens in der Kundmachung der Gemeinderatsbeschlüsse Marc Rupf erst gar nicht aufscheint und ich daher auch gar nicht auf die Idee gekommen wäre, dass hier ein Fehler passiert war. Und zweitens ist es wesentlich schwieriger herauszufinden, welche Staatsbürgerschaft jemand besitzt, als nachzuvollziehen, ob jemand Ersatzgemeinderat ist oder reguläres Gemeinderatsmitglied. Damit will ich nicht behaupten, der Fehler beim Überprüfungsausschuss wäre „schwerer“, er war nur offensichtlicher. Selbst verständlich hätte ich auch auf die Tiroler Gemeindewahlordnung 1994 hingewiesen, wenn mir dieser andere Fehler aufgefallen wäre (Anmerkung: nicht, weil ich die TGWO und TGO auswendig rezitieren kann, sondern weil wir die Debatte schon 2016 rund um die Vizebürgermeisterschaft von Artur Pfeifer hatten und das jedem, der die Diskussion verfolgt hat, noch in Erinnerung sein sollte). Ich möchte das hier deswegen so klar erwähnen, weil sich beide großen Fraktionen – GFS und FS – nicht geziert haben, ihre Fehler gleich zu erkennen und zu korrigieren, was für beide spricht.
- Eine eher harmlose Tagesordnung. Wer sich große Kontroversen wie in den vergangenen Gemeinderatsperioden erwartet hat, ist natürlich – glücklicherweise – enttäuscht worden. Das liegt aber nicht nur an der ruhigen Art der aktuellen Gemeinderatsmitglieder, sondern natürlich auch an der Tagesordnung. Vieles wurde noch in der vergangenen Periode aufbereitet und konnte dann – gerade bei Beauftragungen – nach Vorliegen der Angebote vergeben werden, anderes wiederum ist eine logische Konsequenz aus aktuellen politischen Ereignissen (die Teuerung etwa, die Preiserhöhungen bei Anboten und dem Hortessen mit sich bringt) und steht deshalb außer Streit. Und dort, wo es seitens einiger Gemeinderäte höfliches Nachfragen stattfindet, wird gesittet Antwort gegeben. Für jemanden wie mich, der im Gemeinderat von 1998 bis 2004 (das war in der Zeit unter BGM Hubert Heiss, Anm.) kommunalpolitisch sozialisiert wurde, ist dieser angenehme Umgangston wahrlich ein Kulturschock in die positive Richtung. Es bleibt abzuwarten, ob dieser harmonische Umgang die ganze Periode gepflegt wird oder ob es Themen gibt, wo schärfer diskutiert werden wird.
- Motivierte Ausschüsse. Es ist schön zu sehen, dass alle Verantwortungsträger, die Obleute von Ausschüssen sind, sich auch gleich ordentlich ins Zeug legen. Zwei Sitzungen des Sozialausschusses binnen drei Wochen oder heroische Konklave des Bauausschusses bis 22:45 Uhr samt Lokalaugenscheinen deuten schon einmal darauf hin, dass die Ausschussmitglieder mit ihren Obleuten mehr als gewillt sind ihre Freizeit für die Dorfgemeinschaft zu opfern. Der erfahrene Politiker wird aber bestätigen können, dass ein bestimmtes Tempo und eine bestimmte Sitzungsdichte nicht unbedingt eine längere Zeit durchgehalten werden kann: einerseits gibt es immer wieder äußere Umstände, wodurch die Ausschüsse mit zusätzlichen Themen konfrontiert werden, die ihre Aufmerksamkeit erfordern, andererseits gibt es auch längerfristige Projekte, die ein kontinuierliches Controlling und Monitoring erfordern und zusätzlich eine Projektnachsorge benötigen. Man kann als Ausschuss nicht sagen, man nimmt sich nur der Sache A an und wenn diese fertig ist, geht man zu B über. Es stehen vielleicht A, B und C gleichzeitig am Start, im Laufe der Zeit muss man B vielleicht etwas liegen lassen, bis ein Umstand eingetreten ist, der B leichter umsetzbar macht, inzwischen kommen aber schon D und E aufs Tapet und A und C sollten auch nicht vernachlässigt werden. Deshalb rate ich Ausschüssen immer verschiedene Themen auch manchmal auszulagern, etwa in einen „erweiterten Ausschuss“ zu geben, indem man Fachleute, Beiräte oder einfach nur engagierte Mithelfer miteinbindet. Manchmal lassen sich auch Arbeitsgruppen bilden, die etwas vorbereiten können und zwar ohne, dass gleich die ganzen Gemeinderatsausschussmitglieder ausrücken müssen. Greift man auf diese Möglichkeit zurück, wird die Ausschussarbeit den Mitwirkenden am Ende nicht zu viel und die Motivation kann erhalten bleiben. Ich weiß ja nicht, ob ich das bei der Sitzung richtig wahrgenommen habe, aber zumindest im Tourismusbereich hat es den Anschein als würde dieser richtige Weg schon ein wenig eingeschlagen werden, in dem man Externe zum Mitarbeiten ins Boot holt.
- Anfragen, Anträge und Allfälliges. Ich habe einmal in der letzten Periode gemeint, es gäbe leider manche Gemeinderäte, die diesen Tagesordnungspunkt nicht richtig verstanden haben, denn er heißt nicht „freies Reden nach Laune“, sondern eben: Anfragen, Anträge und Allfälliges. Das heißt, Mandatare können Fragen an den Bürgermeister oder die (im Grunde sind sie es: ressortführenden) Ausschuss-Obleute stellen, sie dürfen Anträge einbringen und Stellung zu etwas beziehen, das „all-fällig“, also mit Betonung auf „fällig“ – sprich: für alle dringlich – ist. Manchmal artet dieser Tagesordnungspunkt zeitlich ungeheuer aus, daher war es sehr wohltuend auch in diesem Punkt zu beobachten, dass sich alle sehr diszipliniert verhalten haben. Für mich allerdings ungewöhnlich war, dass tatsächlich nicht nur ein Antrag bei dieser Sitzung eingebracht wurde, sondern dieser Antrag auch umgehend behandelt wurde. Ich finde es deshalb so ungewöhnlich, da noch in der vergangenen Periode das Prinzip galt, dass eingebrachte Anträge zuerst an die zuständigen Ausschüsse verwiesen werden. Dort werden sie behandelt und dann auf die Tagesordnung einer der nächsten Gemeinderatssitzungen gestellt. In diesem speziellen Fall muss man dem Antragsteller, also Peter Reinpold, aber zugutehalten, dass es sich ja um keinen Wald-und-Wiesen-Antrag gehalten hat, sondern um einen Antrag, dessen Inhalt seine Diskussion in der Bauausschuss-Sitzung schon erlebt hatte und der deshalb auch allen Fraktionen bereits bekannt war. Tatsächlich waren ja auch alle Gemeinderäte mit der sofortigen Behandlung des Antrages und seiner Beschlussfassung einverstanden. Was also auf den ersten Blick wie ein „Überrumpeln“ ausgesehen hat, war in Wirklichkeit eine flexible Handhabung, um etwas schnell einer Erledigung zuzuführen.
- Brücken verbinden. Ich habe vor der Sitzung geschrieben, mich interessieren am meisten drei Punkte: (1) wird der Besetzungsfehler im Überprüfungsausschuss korrigiert, (2) werden beim Punkt „Anträge“ auch tatsächlich Anträge eingebracht und (3) wie wird beim Thema Brücken diskutiert. Nun kann ich schon einmal sagen, dass sich der Gemeinderat bei (1) und (2) professionell verhalten hat. Beim Thema Brücken schließlich war es sehr schön zu sehen, dass sich BGM Christian Ihrenberger auch bei seiner Vorgängerin, Altbürgermeisterin Isabella Blaha, für die geleistete Vorarbeit bedankt und explizit auch die finanzielle Unterstützung der Familie Klinge für die Brückensanierung der Günther-Klinge-Brücke angesprochen hat, die Isabella Blaha zugesagt wurde und über die sie bei ihrer letzten Gemeinderatssitzung als Bürgermeisterin berichtete. Es war eine sehr schöne Geste des neuen Bürgermeisters, dass er für diese Leistung auch alle Anwesenden zu einem spontanen Applaus einlud. Es sind Momente wie diese, die das Verbindende, das „Wir sind alle eins“-Gefühl stärken, das Scharnitz nach Jahrzehnten der politischen Grabenkämpfe so dringend braucht. Auch hier hat der neue Gemeinderat also seine Sache gut gemacht.
Es wird vielleicht den einen oder die andere überraschen, dass ich so viel Wert auf Atmosphäre, Stil und den Umgang miteinander lege und mich (zunächst) weniger mit den Inhalten beschäftige. Wie oben bereits erwähnt, steht einiges der inhaltlichen Arbeit erst am Anfang oder sollte separat behandelt werden. Allerdings kann nur gut inhaltlich gearbeitet werden, wenn die handelnden Personen gut zusammenarbeiten und diese Gemeinderatssitzung stimmt einen schon einmal optimistisch, dass dies gelingen wird.